2012
Call for Papers
Digitale Modelle sind der Treibstoff unserer medial geprägten Welt. In Forschung, Fabrikation, Kultur und Unterhaltungsindustrie eröffnen sie grundlegend neue Potentiale für die Repräsentation und die Verarbeitung von Information und Wissen. Dreidimensionale Visualisierungen, multimediale Editionen, Mixed-Reality-Anwendungen und vernetzte Wissensspeicher mit multimodalen Zugängen erlauben Echtzeitsimulationen und nahezu unbegrenzte Informationsvernetzungen. Reproduktionen auf der Basis hochauflösender 3DModelle verblüffen durch lebensechte Qualität und Überzeugungskraft. Der Mythos von Pygmalion und Galatea, die Lebenserweckung und Beatmung des toten Bildes, manifestiert sich in den digitalen Repräsentationen des medialen Alltags.
Zu den Nutznießern dieser Entwicklung zählen die Erinnerungsinstitutionen der materiellen Welt – Museen, Bibliotheken und Archive. Ihnen ermöglichen die neuen bildgebenden Verfahren hochattraktive Informationsangebote für Dokumentation und Forschung. Von der interaktiven Verfügbarkeit und Anschaulichkeit der digitalen Modelle werden eine verbesserte öffentliche Repräsentanz und neue Formen der Besucherbindung erwartet.
Die ‚technische Reproduzierbarkeit‘ der Kunst, die Walter Benjamin für das Zeitalter der Fotografie und des Films beschrieben hat, ging mit der ‚Demokratisierung des Auges‘, der Zugänglichkeit der Werke in den Reproduktionen und einer kritisch analytischen Teilhabe des rezipierenden Publikums einher. Mit der ‚digitalen Repräsentierbarkeit‘ im Informationszeitalter kommen weitergehende Möglichkeiten der Re-Kontextualisierung und Anreicherung der Objekte, der individuellen Steuerung von Perspektiven und des konstruktiven Nachvollzugs hinzu. Der Rezipient, dem Benjamin die grundsätzlich distanzierte Rolle eines prüfenden ‚Begutachters‘ attestierte, wird heute zum multisensorisch angeregten, aktiven und wesentlich partizipatorischen Mitgestalter.
Darin liegen Chancen, aber auch Risiken. Den neuen Möglichkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens, der Dokumentation, der Kooperation und der Vermittlung stehen Fragen der Nachhaltigkeit der Reproduktionsverfahren, der Komplexität der Modelle und vor allem der Authentizität des Werkbezugs entgegen. Omnipotenz und Strahlkraft digitaler Modelle lassen leicht darüber hinweg sehen, dass es sich immer auch um systematische Abbreviaturen der Wirklichkeit handelt, die im Unterschied zum fotografischen Verfahren mit dem Verlust jeder indexikalischen Qualität einhergehen. Der physische Zusammenhang zwischen Original und Reproduktion geht verloren, eine belastbare Referenz existiert nicht mehr.
Wie lässt sich vor diesem Hintergrund Authentizität sicherstellen? Welche Möglichkeiten bieten sich an, die Differenz zwischen Original und digitalem Modell zu kennzeichnen? Wie beeinflusst schließlich die Wahrnehmung des Modells auch die Wahrnehmung der Originale? Die 19. EVA Konferenz rückt diese grundsätzlichen Reflexionen an den Anfang des diesjährigen Schwerpunktthemas zur digitalen Modellbildung.
Programm
PD Dr. Katja Kwastek (Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München)
Prof. Dr. Stefan Gradmann (Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Humboldt-Universität Berlin)
Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling (Bauforschung und Baugeschichte, Otto-Friedrich-Universität Bamberg)
Ina Blümel (Kompetenzzentrum für nicht-textuelle Materialien, Technische Informationsbibliothek)
Prof. Dr.-Ing. Stefan Breitling (Bauforschung und Baugeschichte, Otto-Friedrich-Universität Bamberg)
Prof. Dr. Reinhard Förtsch (Deutsches Archäologisches Institut)
Prof. Dr. Stefan Gradmann (Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft, Humboldt-Universität Berlin)
Georg Hohmann (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
PD. Dr. Katja Kwastek (Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München)
Prof. Dr.-Ing. Dominik Lengyel (Lehrstuhl Darstellungslehre, Brandenburgische Technische Universität Cottbus)
Dr. Martin Raspe (Bibliotheca Hertziana -Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte)
Prof. Dr. André Stork (Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung / Technische Universität, Darmstadt)
Beschreibung:In unseren Museen ruhen Millionen von Kulturschätzen. Ein großer Teil unseres Kulturgutes ist von dreidimensionaler Gestalt, z. B. Statuen, Büsten, Vasen, alte Münzen oder archäologische Ausgrabungen. Für zweidimensionale Kulturobjekte wie antike Schriften und Bilder existieren auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene riesige Kampagnen zu deren Erfassung in digitaler Form. Die 3D-Digitalisierung ist bislang jedoch prohibitiv teuer, um standardmäßig eingesetzt zu werden. Durch Fortschritte in der 3D-Digitalisierungstechnik ist deren wirtschaftlicher Einsatz in greifbare Nähe gerückt. Unstrittig ist, dass die 3D-Digitalisierung von Kulturgütern ein noch nicht einmal im Ansatz erfasstes Nutzungspotenzial bietet, z. B.:
- praktisch beliebige Verfügbarkeit und parallele Zugreifbarkeit (auch in unterschiedlicher Qualität) von digitalen 3D-Repliken von Kulturobjekten für Kulturhistoriker
- Einsatz von digitalen 3D-Modellen im Museumsbetrieb, z. B. zur Ausstellungsplanung, Dokumentation, Beschaffungsplanung etc.
- virtuelle Präsentation (in Kombination mit neuen Präsentationstechniken, wie z. B. hybride Exponate) für die Öffentlichkeit als Mittel zur Attraktivitätssteigerung
- physische Repliken auf der Basis des digitalen 3D-Modells als Ersatz für Ausleihe (Vermeidung von Beschädigung, Versicherungskosten, Rechtsunsicherheit zu Eigentum)
- Wiederverwendung der historisch-korrekten 3D-Modelle in Sekundärindustrien (Film, Spiele)
Der Workshop gliedert sich in zwei Teile, einen, der den Stand der Digitalisierungstechnologie für Geometrie und Materialeigenschaften beleuchtet und einen weiteren Teil, der Beispiele und Erfahrungen aus dem praktischen Einsatz umfasst. Der Workshop bringt Experten aus dem Bereich Forschung, Anwendung, Anbieter und IT-Technologie zusammen und beleuchtet neben dem Stand der Technik und den Anwendungsmöglichkeiten auch Herausforderungen an das Datenmanagement. Eine Diskussion mit den Workshop-Teilnehmern für eigene Erfahrungen und Erwartungen runden den Workshop ab und sollen Initialzündung für einen weiteren Erfahrungsaustausch zwischen Praktikern und Forschern im Rahmen des Forums „Kultur in 3D“ sein.
3D-COFORM – Tools and Expertise for 3D collection formation
Prof. David Arnold (University of Brighton)
3D Digitalisiertechnologien für Museen und kulturelle Einrichtungen
Dr. Peter Johannes Neugebauer (Geschäftsführer der Polygon Technology GmbH)
Erfassung und Präsentation digitaler Replica von Artefakten des kulturellen Erbes
Prof. Dr. Reinhard Klein (Universität Bonn)
3D-Labor und Museen: Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten
Prof. Dr. Hartmut Schwandt (TU Berlin, Institut für Mathematik, 3D-Labor), Prof. Dr. Friederike Seyfried (SMB – Ägyptisches Museum und Papyrussammlung), Miguel Helfrich (SMB – Gipsformerei)
Practical experience of 3D image modelling of cultural objects at the V&A Museum
James Stevenson (Victoria and Albert Museum, London)
Eröffnung:
9:30 | Dr. Christina Haak |
Session 1: Räume modellieren: Kultur in 3D
Moderation: Dr. Andreas Bienert
09:50 | Visualisierung und hochaufgelöste 3D Rekonstruktion der Steinbildwerke vom Tell Halaf, Syrien |
10:15 | Auf der Spurensuche des Handwerks zum Prägen antiker Münzen unter Einsatz von höchstaufgelösten digitalen 2D- und 3D-Modellen |
10:40 | CENOBIUM – Ein Projekt zur multimedialen Darstellung romanischer Kreuzgangkapitelle im Mittelmeerraum |
Kaffeepause
Session 2: Wissen generieren: automatisierte Informationsgewinnung
Moderation: Prof. Dr. Robert Sablatnig
11:40 | Metadaten aus der Cloud – Technologien und Anwendungen der CONTENTUS-Diensteplattform zur Medienerschließung |
12:05 | Neue Formen der Informationsvisualisierung, Navigation und kontext-bezogener Textsuche für Bibliotheken |
12:30 | Digitalization of Ancient Manuscripts with the Aid of Multi-Spectral Imaging and Image Processing Techniques |
Session 3: Daten aggregieren: Netzwerk und Portale
Moderation: Prof. Dr. Dorothee Haffner
15:00 | SMB-digital – Die Online-Datenbank der Sammlungen |
15:25 | Spartenübergreifende Präsentation von Kulturobjekten – das Portal Kulturerbe Niedersachsen |
15:50 | The ICARUS archival community and the APEX project today: towards a common European Portal network of historical archives |
Kaffeepause
Session 4: Geschichte visualisieren: Dokumentation und Kartierung
Moderation: Dr. Harald Krämer
16:50 | Archäologisches Informationssystem Berlin (AISBer) |
17:15 | Interaktive Webanwendung für die Berliner Industriekultur – Visualisierung verschiedener Netze und Orte der technischen Infrastruktur |
17:40 | Die virtuelle Ausstellung „Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey“ |
im Foyer Kulturforum am Potsdamer Platz
„Karl Friedrich Schinkel – Geschichte und Poesie“
Besuch der Sonderausstellung des Berliner Kupferstichkabinetts
mit begleitender Einführung in das „Erbe Schinkels“- Schinkels Erbe Online
Launch des Wissenschaftlichen Bestandskatalogs zum umfangreichen Oevre Karl Friedrich Schinkels
Kupferstichkabinett, Staatlichen Museen zu Berlin & Freundel und Partner, Ilmenau - Wir bringen Kultur ins Netz
3pc GmbH Neue Kommunikation, Berlin - The Interactive Research Table: Complex Museal Archives Made Accessible for a Broad Audience
Plural, Berlin - Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen dem Ägyptischen Museum und der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin mit dem 3D-Labor am Institut für Mathematik der Technischen Universität Berlin
SMB Ägyptisches Museum und Gipsformerei; Technischen Universität Berlin - Digitale 3D-Modelle im Kultursektor – Stand der Technik und Nutzungspotential
Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung, Darmstadt - 3D-Scanntechnologien von µm³ bis m³
Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik, Berlin - Visualisierung und hochaufgelöste 3D-Rekonstruktion der Steinbildwerke vom Tell Halaf, Syrien
Breuckmann GmbH, Meersburg &
Ingenieurbüro Malige, Vermessung und Geoinformation, Muggensturm - 3D- Visualisierung / Filmproduktion
ArchimediX GbR, Ober-Ramstadt - Location Based Services für Museen und Kulturinstitutionen
Mediaguide xpedeo
die Informationsgesellschaft mbH, Bremen - Digital Asset Management Integration mit Museumsdatenbanken – Erweiterung bestehender Museumdatenbanken durch professionelle Bild- und Mediendatenverwaltung mit Cumulus
CDS Gromke e.K., Leipzig - DaCaPo: Ein System zur Inhaltserfassung von Zeitungen
Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik, Berlin - Analoge und digitale Archivierung
E. Staude GmbH, Dresden - easydb – web-basiert Sammlungsobjektverwaltung und Digital Asset Management nahtlos integriert in einer Software
Programmfabrik GmbH, Berlin - 3Dscannen / Spezialvermessung / Dokumentation
Matthias Grote PLANUNGSBÜRO, Berlin
Session 5: Kultur präsentieren: online, interaktiv, hyperlinked …
Moderation: Dr. James Hemsley & Eva Emenlauer-Blömers
09:30 | Netzwerkanalyse von kunsthistorischen Attributen anhand von Social Tags |
09:50 | „Waiting for the next hype…“ Zu einigen Erfahrungen amerikanischer Museen mit Web-Design, Social Media und Web 2.0 |
10:10 | iCon.text – eine anpassbare iPad-Kioskanwendung für Museumsausstellungen |
10:30 | first we take berlin |
Kaffeepause
11:20 | Museale online Präsentation moderner und zeitgenössischer Kunst – (kon)Formen der Präsentation |
11:40 | ikono – eine mediale Einführung in die Kunst |
12:00 | Location Based Services für Museen und Kulturinstitutionen – Einsatz von Ortungstechniken zur Informationsvermittlung und Evaluation |
12:20 | Informationswissenschaftliche Herausforderungen für kulturelle Gedächtnisorganisationen |